Leider ist unser lieber Altherr Franz M. Kälin v/o Gumel im Alter von 95 Jahren verstorben. Der Abschiedsgottesdienst findet am Freitag, 12. Juli 2019, 10.00 Uhr, in der Kirche St. Johannes, Egg SZ, statt.
Der Trauerkommers wird danach im Hotel Drei Könige, Einsiedeln, stattfinden und von der AKV Alemannia organisiert. Couleuriker, die am Mittagessen teilnehmen möchten, sind gebeten sich bei Langenauer v/o Epos anzumelden (langenauer@hotmail.com).
Nekrolog
Dr. iur.
21.4.1924 – 6.7.2019
Eintritt in die Burgundia SS 45
Ansprache am Trauerkommers vom 12. Juli 2019 von Isidor Oehy v/o Dotter und Stefan Langenauer v/o Epos
Dr. Pfeiffer v/o Strolch, Rechtsanwalt und brillanter Strafverteidiger, engster Farbenbruder von Gumel, der grösste Stegreifredner aller StVer, wurde um die Rede an Gumels Totenkommers gebracht, der mit gut 50 Jahren an einer Blutvergiftung hätte sterben sollen. Dank Veterinär-Antibiotika überlebte Gumel und genoss sein Leben noch 45 Jahre lang!
Strolch hingegen verstarb im besten Alter, Gumel war dann sein Totenredner. So sind wir, Dotter und Epos, die Erben von Strolch und würdigen unseren lieben Gumel.
Gumel wurde am 21. April 1924 in Egg am Etzel geboren. Seine Familie ist ein altes Herrenbauerngeschlecht am Etzel und war nach dem Kloster der grösste private Waldbesitzer im Kanton Schwyz; dies seit der Helvetik, d.h. seit der Befreiung des Bezirks vom Altschwyzerjoch durch die Franzosen; die Familie war verbandelt mit Kloster, Politik und Holzwirtschaft.
Ab 1931 besuchte Gumel 5 Jahre lang die Primarschule, was täglich 2 Stunden Fussmarsch bedeutete. Deshalb war Wandern für lange Zeit kein Hobby von Gumel, im Gegensatz zu seinem Bruder BiBr! Gumel hat nie den kompletten Weihnachtsmarsch Zürich – Einsiedeln absolviert, war aber gerne abends am Hafechabis mit uns dabei. Die Domleschg-Maiwanderung mit der “Triangel”-Wirtin war da schon eher nach seinem Geschmack.
1936 trat Gumel für 7 Jahre in das Internat an der Stiftsschule Einsiedeln ein, die 2. Klasse übersprang er wegen Unterforderung. In höheren Klassen übte Gumel wichtige Ämter aus, was ihn zum exklusiven Inhaber eines Schlüssels für das Hoftor machte. Natürlich wurde der Schlüssel für mitternächtliche Ausgänge missbraucht. Zitat Gumel: “Wenn das der gütige Präfekt wüsste, der spätere Kardinal Benno Gut …”.
1943 zog Gumel gegen Westen, es folgten 6 Semester Alemannia und 4 Semester Burgundia mit viel Aktivdienst dazwischen. Diese Studentenjahre bezeichnete Gumel mit folgenden Worten als die schönste Zeit:
Der organisierte Bierkult, die Kunst des elitären Trinkens, den Stoff als Mittel zur vergnüglichen Erweiterung des Bewusstseins einzusetzen, ohne zum Trinker zu werden, und mit den Freunden der Korporation ungehemmt über Gott und die Welt und die holde Weiblichkeit zu spekulieren, dazu gegebenenfalls die Kunst des gescheiten Gesprächs, die Pflege der ausgelassenen Rhetorik, und dies stabil das ganze Semester hindurch, auch über Samstag und Sonntag.
Und etwa so gestaltete sich 1944 ein Alltag im Sommersemester in Freiburg in den Worten von Gumel:
Besuch von ausgewählten Vorlesungen, aber vollständige, lautstarke Mitwirkung in den einschlägigen Seminaren / am Vormittag mit meiner Betty drunten im Schwimmbad an der Sarine gemeinsames Lesen Seite für Seite eines schlüpfrigen Romans von Guy de Maupassant (en français naturellement) / 2 Stangen am Mittagsstamm / 3 bis 6 Stangen am Abendstamm / gelegentlich zu später Stunde durch BC-Beschluss grundsätzlich und generell verbotene Begleitung der sehr attraktiven Servicechefin Madame A. auf den Heimweg (gegen Bestechung des Fuchsmajors mit zwei Stangen) / während 2 Nachtstunden konzentrierteste Hingabe an die Jurisprudenz mit Hilfe eines ausgeklügelten Lernsystems. Oh goldene Zeit!
Nach dieser Zeit in den Zähringerstädten folgten zusätzliche "Studien" in Paris, London und Madrid, ehe Gumel bereits 1949 Rechtsanwalt und Dr. iur. mit summa cum laude wurde. Für das summa cum laude musste Gumel die ersten 100 Seiten seiner Dissertation weglassen, dem Zweitreferenten, einem amtierenden Freiburger Ständerat, war das zu
viel.
Gewappnet mit einem zusätzlichen Diplom als Bücherexperte legte Gumel während 30 Jahren eine beeindruckende Karriere als Wirtschaftsanwalt in Zürich & Mailand hin. In den Nachkriegsjahren waren Kartelle der Standard und die Finanzmärkte weitgehend unreguliert. Gumel war in beiden Bereichen ein bedeutender Player. So präsidierte er einen Fabrikantenverband der Elektrobranche mit Sekretariaten in Paris und Brüssel. Zudem baute er eine Revisionsgesellschaft auf, die auf bankengesetzliche Kontrolle spezialisiert war und über Mandate bei bedeutenden schweizerischen und internationalen Bankinstituten verfügte und später an die Fides verkauft wurde.
Daraufhin zog Gumel zurück in die Heimat beim St. Meinradspass am Etzel. Dort schuf er im Verlauf der Jahre ein reiches malerisches Werk in seinem Atelier in einer Scheune auf dem Chüelwiesli. Zahlreiche Ausstellungen und Verkäufe folgten, eine grössere Werkgruppe findet sich in der öffentlichen Kunstsammlung des Kantons Schwyz. Und einige
von euch erfreuen sich eines eigenen FMK zu Hause. Besonders fasziniert war Gumel von der Ecriture, einer Form oder Figur, die aus einer einzigen Linie besteht, aus einem gelungenen Schwung als Zeichen der Perfektion.
Nach 20 Jahren Malerei packte Gumel eine neue Leidenschaft. Er wurde Prosa-Schriftsteller. Lange übte er sich, bis er 2013 den Roman "Süssestes Herz Jesu" publizierte, ein deftiges Werk mit autobiografischen Elementen. Die Publikation führte dazu,
dass Gumel durch katholisch-fundamentalistische Kreise so ernsthaft bedroht wurde, dass er Beratung durch die Kriminalpolizei Zürich suchte.
Gumel liebte und lebte sein Dasein mit Herz und mit Hirn in allen seinen Facetten, wovon auch folgende Anekdoten zeugen.
Dotter:
- Ca. 1944 sollte der bereits erwähnte Pfeiffer v/o Strolch wegen Frauengeschichten auf Betreiben von AH-by aus der AKV Alemannia ausgeschlossen werden. Gumel war Strolchs Verteidiger und paukte seinen besten Freund aus der bedrohlichen Lage.
- Mitte der 50er Jahre besuchte Gumel St. Tropez und lief mit einem Boot eine kleine, einsame Insel an, die sich zum Nacktwandern nur so anbot. Womit er nicht rechnete, waren die hochgiftigen Schlangen, denen er nur knapp entkam. Im Alpstein ist es weniger gefährlich!
- Die Zürcher Kanzlei von Gumel lag zwischen Stadthaus und Bauschänzli an bester Lage, nämlich direkt gegenüber der Frauenbadi, die gerne für angenehme Ablenkung vom Alltagsgeschäft sorgte.
- 1986 besuchte Gumel mit Dotter 3 Tag lang Berlin, tagsüber die hervorragenden Museen, nachts andere Häuser, der 63 Jahre alte Gumel mit seiner Haarpracht immer umschwärmt.
- In den 90er Jahren stellte Gumel anlässlich des Zentralfestes in Brig in einer Galerie wunderschöne Bilder aus: Blumen, Hunde, Katzen, weitere anspruchsvolle moderne Malerei und auch einen grossen “Frauenakt im Garten”. Dotter wollte das Bild auf der Stelle kaufen, Gumel riet jedoch davon ab, weil dieser Akt im stockkatholischen Wallis sowieso unverkäuflich sei und nach dem Zentralfest ohne Kommission erworben werden könne. So kam es denn auch, und der Akt hängt heute bei Dotter in München.
Epos:
Gumel lernte ich erst nach meinem Umzug nach Zürich im Jahr 2000 am Blockstamm bewusst kennen. Gumel hatte wohl einfach den Plausch, neben vorwiegend Juristen einmal einen klassischen Philologen am Stamm anzutreffen, der allerdings neben ihm als Universalgelehrtem wie ein Dilettant wirkt. Gumel war ja die pure Lust am Leben in allen Facetten, so auch am lebhaften Disput über Politik, Geschichte, Kultur, Bildung und auch Religion. So kamen wir uns näher, und bereits ab 2007 fütterte mich Gumel mit Unterlagen für seinen eigenen Trauerkommers, obwohl die Gene in seiner Familie sehr auf Langlebigkeit selektiert waren.
2012 trat ich in den Altherrenvorstand der Corvina ein. Schnell wurde die Etzelwallfahrt um den Meinradstag herum wieder zu meinem Lieblingsanlass. Dabei pilgern die Corviner vom Kloster zum St. Meinrad, feiern Messe und geniessen anschliessend ein Fondue im dortigen Restaurant. Jetzt ist es so, dass Gumel unmöglich Käse essen konnte – die Erklärung findet sich in Gumels Roman. Nur schon der Geruch von Fondue war für Gumel unerträglich. So konnte er also nicht an der Etzelwallfahrt teilnehmen. Dafür haben wir jeweils beim Anmarsch bei ihm zu Hause ein paar Cantus gesungen, was ihn immer erfreut hat.
Gumel war auch kulinarisch bewandert, wen würde das erstaunen? Ich wohne in Wollerau und fahre mit dem Mountainbike regelmässig Richtung St. Meinrad. Vor etwa 5 Jahren fuhr ich an einem Samstagmorgen spontan zu Gumel, worauf er ebenso spontan den
Vorschlag machte, zusammen Zmittag zu essen. Er fuhr dann mit dem Auto nach Einsiedeln und besorgte Rohstoff, während ich nach Hause bikte und mit Weisswein zurückkehrte. Bei Gumel brutzelte bereits die Seezunge in der Pfanne, köstlich! Und das mit 90 Jahren.
Gumel sah in den letzten Jahren immer weniger gut, und auch die besten Medikamente konnten nicht verhindern, dass er fast erblindete. Er liess sich aber nicht unterkriegen und setzte die modernen Hilfsmittel ein, die es heute gibt. Bis vor kurzem konnte er deshalb noch Emails lesen und schreiben. Hörbücher erschlossen ihm noch einmal neue Welten, zum Beispiel die russische Literatur. Und er hörte weiterhin täglich Musik. Unter anderem zeitgenössische Musik wie Arvo Pärt, von dem wir heute in der Kirche das Credo gehört haben. Ich darf euch von Gumel ausrichten, dass er sich köstlich amüsiert hat, als ihr in der Kirche so richtig zusammengezuckt seid! Wir haben uns diese Situation nämlich vorgestellt, als er mir das Werk vor einiger Zeit vorgespielt hat. Gumel war ein enorm intensiver Mensch. Lustvoll in jeder Hinsicht, ein Geniesser, mit breitem Interesse, tiefem Wissen. Auch provokativ, auch blasphemisch, auch pubertär.
Aber vorallem mit grossem Herzen. Gumel, wir alle werden dich vermissen.