Am 7. Februar 2022 ist unser lieber Altherr Josef Vogt v/o Chueche verstorben.
Die Abdankungsfeier findet am 11. März 2022, 10.30h, in der Hofkirche Luzern statt. Der Ort des Trauerkommers wird vor Ort bekanntgegeben.
Nekrolog
Chueche kam als Hausgeburt in Reussbühl zur Welt als viertes Kind nach drei Schwestern, gefolgt von weiteren drei Schwestern. Im April 1951 zog die Familie um nach Luzern. Kaum in Luzern, begann seine Primarschulzeit. Nach der fünften Klasse trat er via Aufnahmeprüfung über ins erste Gymnasium der Kantonsschule. Wegen mangelndem Lerneifer und disziplinarischen Schwierigkeiten (wie: stört oft, schwatzt im Unterricht, provoziert seine Lehrer) wechselte er in die vierte Klasse im Kollegi Sarnen. Nach zwei Jahren kehrte er zurück ins erste Lyzeum in seine ehemalige Klasse der Kanti Luzern. Kapuzinerpater Kleophas, später über Chueches Abgang vom Kollegi befragt, soll gesagt haben, die Freude sei auf beiden Seiten gross gewesen. Chueche trat ein in die Semper Fidelis, wo er im Wintersemester 1962/63 das Amt des Fuchsmajors bekleidete, was die einzige Charge in seinem aktiven Verbindungsleben blieb.
Nach der Matura Typ A begann er das Medizinstudium in Freiburg. Dort trat er in die Alemannia ein, deren Taufkomitee ihm den Vulgo Keck gab. Zwei kecke Alpha-Typen wären für den Platz Luzern zu viel gewesen. Die beiden einigten sich: Egli v/o Keck (der spätere Bundesrat) bezahlte das Umtauffass Bier, Vogt v/o Keck beantragte beim Taufkomitee Namensänderung. Die Einladung einer finnischen Mitstudentin zu Kuchen und Tee verhalf ihm zum Vulgo Chueche.
Nach dem 2. Prope wechselte Chueche an die Uni Bern und trat ein in die Burgundia. Gegen Ende der klinischen Semester am Inselspital verheiratete er sich 1970 mit Marlies Keller. Nach seiner Ausbildung in Pädiatrie wollte Chueche eigentlich Kinderpsychiater werden. Im Konzept seines Mentors Prof. Rossi sollte er im neuen Kinderspital die kinderpsychiatrische Abteilung leiten. Nach einigen spannenden Monaten an der psychiatrischen Erwachsenen-Polyklinik und im Laufe eines Assistenzjahres an der Kinderpsychiatrischen Klinik Neuhaus in Ittigen fiel er in eine tiefe Depression und eröffnete Ende 1978 fast notfallmässig die Kinderarztpraxis in Reussbühl, in der er sich ganz als Kinderarzt und nie als Kinderpsychiater und nie als Psychotherapeut verstand. 2008 fasste er in einem Vortrag seine Sichtweise in «Kinderpsychiatrie in der pädiatrischen Praxis» zusammen. Neben der Behandlung von Schnupfen, Husten, Halsweh, Durchfall und Erbrechen entwickelte er sich zum Papst des ADHS der Zentralschweiz. 2011 schrieb er eine Zusammenfassung seiner Erfahrungen in «Gedanken zum ADHS – eine Bettlektüre».
Zurück in Luzern, begann er sich sozial zu vernetzen. Er engagierte sich im Grossen Bürgerrat, in der Aufsichtskommission der Kantonsschule, im Stiftungsrat des Kinderspitals, wirkte viele Jahre als Altherrenpräsident der Semper Fidelis. Ein wichtiges Ereignis im farbenstudentischen Jahresablauf ist die Generalversammlung des Schweiz. Studentenvereins. Der Orden der Wandernieren pflegt an den Ort des Zentralfestes zu marschieren. Erstmals mit dabei war Chueche 1988 beim Marsch über den Napf nach Sursee, sein Familienauto war während vieler Jahre Trosswagen. 1993 wurde er in den illustren Kreis der Seicher aufgenommen.
Nach der GV des Schw. StV lud er seine Konsemester zu den sogenannten Menzbergseminaren mit spezieller lokaler Kulinarik in sein Ferienhaus auf dem Menzberg ein. Dort wurde 1990 die Kapelle St. Joder Hergiswil neu aufgebaut. Auf der zweiten Glocke steht auf der Gegenseite der Inschrift «Vor Ungewitter – Feuer – Sturm erhebe deine Stimme aus dem Turm»: Furchtlos und treu – Wappen mit Alemannenzirkel – gestiftet von Alemannia Freiburg Consemester 1963/64.
1985 wurde er Hergottskanonier, bereits 1982 Mitglied der Zunft zu Safran, in der er im VK-Jahr als Theaterchef wirkte. Seiner sprühenden Originalität war es mitzuverdanken, dass ihm und seinen NA-Freunden als Ersten in der Zunft die Ehre zur Ernennung des Lustigen Huerenaff zuteilwurde. Ihn faszinierte das Landschaftstheater seines Schulfreundes Louis Naef. So wirkte er in den Fritschispielen 2002 als Kindsmagd der Fritschifamilie und glänzte mit einem halsbrecherischen Einsatz, als er mit dem Kind auf dem Arm über die Rathaustreppe hinabrollte. 2006 spielte er den Teufel in «Menetekel» – einer Theaterinszenierung im Freien. Sie fand statt in der Wallfahrtskirche Hergiswald und in der umliegenden Landschaft, die als Kulisse und Schauplatz für das barocke Fronleichnamsspiel «Belschazzars Nacht- mahl» von Pedro Calderon diente. Während der Hauptprobe am 27. Mai 2006 erlitt Chueche – als der Teufel – bei einem Purzelbaum auf abfallender Wiese eine Fraktur von Halswirbel zwei mit inkompletter Tetraplegie. Eine Mitschauspielerin, IPS-Pflegefachfrau, führte sofort die professionelle und erfolgreiche Reanimation durch, per Heli- kopter wurde er ins Paraplegikerzentrum Nottwil geflogen. Chueche vernahm diese Diagnose, als er fünf Tage später auf der IPS in Nottwil erwachte. Nach gut fünf Monaten verliess er Nottwil an zwei Stöcken. Unser Alltagsverständnis setzt Querschnittslähmung mit Rollstuhl gleich. Von der Rückenmarksverletzung sind aber nicht nur die Bewegungsfähigkeit und die Sensibilität betroffen, sondern alle Körperfunktionen, die über Nervenreize im Rückenmark gesteuert werden: darunter Blasen- und Darmfunktion, Herz- und Atemfrequenz, Tiefensensibilität, Sexualfunktion, Blutdruck, Schmerzempfinden und die Feinmotorik. Von all diesen Beschwerden sieht man den Betroffenen nichts an, aber mit all diesen Problemen musste Chueche von nun an kämpfen. Er fasste dies 2008 im Vortrag «Ein Kinderarzt als Patient oder mein Unfall oder mein Umfall» zusammen.
In dieser Zeit der zunehmenden körperlichen Invalidität wurde Sprache – er war in vielen Gebieten äusserst belesen – zu einem Mittelpunkt. Einerseits die Gespräche am Telefon oder mit den ihn häufig Besuchenden, anderseits seine legendären Ansprachen in der Familie und unter Freunden. Höhepunkt seiner Redetätigkeit war 2009 die Festansprache am 150. Neujahrskommers der Semper Fidelis.
Von Christian bis Anna sassen neun Kinder am Familientisch. In deren Ansprache zu 60 Jahre Vater am 2. November 2003 bedankten sie sich bei ihm mit: Du hast uns geprägt – Du hast mit uns gelitten – Du hast dich mit uns gefreut – Du warst jederzeit bereit, uns auch noch zu später Nachtstunde vom Wochenendausgang abzuholen – Du hast uns Geschichte und Geschichten erzählt – In den Zeiten, in denen von den «abwesenden Vätern» gesprochen wurde, warst du und bist du für uns präsent – Mit deiner Geradlinigkeit hast du uns Halt und gleichzeitig Reibungsfläche gegeben. An diesem Anlass war Niklaus mit dabei. Ein herber Schlag war dann für alle sein Tod 2017.
Dein wunderbar vielfältiger und auch steiniger Lebensweg hat am vergangenen 7. Februar sein Ende gefunden. Ich möchte meine Ansprache mit einem Gedicht von Hans Sahl schliessen: «Ich gehe langsam, aus der Welt heraus, in eine Landschaft jenseits aller Ferne und was ich war und bin und was ich bleibe, geht mit mir, ohne Ungeduld und Eile, in ein bisher noch nicht betretnes Land. Ich gehe langsam aus der Zeit heraus, in eine Zukunft jenseits aller Sterne und was ich war und bin und immer bleiben werde, geht mit mir, ohne Ungeduld und Eile, als wär ich nie gewesen oder kaum.»
Leb wohl, Chueche.
Josef Damann v/o Riss