Ansprache Neujahrskommers 2022
A. Achermann v/o Klam
28. Dezember 2022
Hoher Senior Hundertwasser, hohes Komitee
Hoher Altherrenpräsident Oase
Liebe Stverinnen und Stver
Verehrte Gäste
Herzlichen Dank für die Gelegenheit, hier heute zu euch sprechen zu dürfen. Es ist mir eine grosse Ehre, nach zweimaliger Verschiebung hier endlich am Rednerpult stehen zu dürfen. Dabei bin ich mir bewusst, dass nicht alle auf die Worte eines Polizisten gewartet haben. Es gilt der Grundsatz: Die Polizei ist wie ein Kondom. Mit ihr ist es sicher, ohne sie aber besser.
Und wenn ich schon mal die Bühne habe, erlaube ich mir darauf hinzuweisen, dass auch diese Nacht irgendwo im Kanton Luzern Alkoholkontrollen durchgeführt werden.
Liebe Couleurikerinnen und Couleuriker. Es wird euch nicht überraschen, dass ich die Gelegenheit nutze, um ein paar Gedanken zur Sicherheit anzustellen. Sicherheit ist zwar ein zentrales Thema, wird regelmässig aber eher stiefmütterlich behandelt, weil sie zwei Nachteile hat: 1. Sie ist teuer und 2. Sie tangiert die Freiheit.
Dies führt mancherorts zu skurrilen Situationen. Unlängst konnte man lesen, dass die linksgerichtete Organisation Resolut die Abschaffung der Polizei anstrebt. Frage an die Runde: Seid ihr auch dieser Meinung? Dann höre ich hier nämlich gleich wieder auf.
Und noch eine zweite ernstere Frage: Fühlt ihr euch sicher? Im Moment wohl schon. Aber fühlt ihr euch auch sicher, wenn ihr die beunruhigen Berichte in der Tagesschau hört oder nachts von der Ufschötti zum Bahnhof marschiert?
Ihr seht, Sicherheit ist etwas Vielschichtiges, nicht leicht messbar und vielfach sehr subjektiv. Überhaupt ist Sicherheit relativ und nichts in dieser Welt ist bekanntlich sicher, außer dem Tod und den Steuern. Es gibt auch keine hundertprozentige Sicherheit, wie es keinen hundertprozentigen Alkohol gibt. Sicherheit steht immer im Spannungsverhältnis zu anderen Werten, wie zum Beispiel Freiheit und Selbstbestimmung. Und wie wir in der Pandemie gesehen haben, ist sich unsere Gesellschaft überhaupt nicht einig, wie viel Einschränkung der Freiheit durch Sicherheit möglich sein soll. In diesem Spannungsverhältnis ergeben sich so manche Herausforderungen für die Polizei.
Ich erlaube mir nun, drei dieser Herausforderungen anzusprechen.
1. Wachstum und Verstädterung
2. Migration und
3. Wertewandel.
Daneben gäbe es selbstredend noch zahlreiche weitere Herausforderungen wie Schwerstkriminalität, Cyberdelikte, Terrorismus, Sozialhilfebetrug, die Belastung der Mitarbeitenden, knappe Ressourcen, die Rolle der Medien und und und.
Zur ersten Herausforderung: Wachstum und Verstädterung
Unser Gesellschafts- und vor allem Wirtschaftssystem ist durch Wachstum geprägt. Dies hat zur Folge, dass es mit acht Mia Menschen langsam eng wird auf der Welt und wir zunehmend in städtischen Verhältnissen beengt aufeinander leben. Daraus resultiert ein Verlust an sozialer Kontrolle, im Gegenzug kommt es zu Anonymität und Dichtestress. Alles sicherheitsrelevante Themen. Es ist denn auch so, dass es in städtischen Verhältnissen viel mehr Sicherheitsorgane braucht. Wenn wir nun in den Kanton Luzern blicken, so sehen wir eine starke Urbanisierung, was der Polizei zunehmend Mühe macht. Manche Firma wäre froh, sie hätte so übervolle Auftragsbücher wie wir. Die Politik hat die Zeichen der Zeit glücklicherweise erkannt und nun eine Erweiterung der Polizeiressourcen gesprochen. Dafür sind wir dankbar. Dies ist aber auch dringend nötig zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und zur Wahrung des staatlichen Gewaltmonopols. Wachstum und Urbanisierung sind in diesem Sinne eine echte Herausforderung und sie werden zunehmend zu einem sicherheitsrelevanten Faktor.
2. Herausforderung: Migration
Als Folge von Konflikten, von Armut und immer mehr auch des Klimawandels ist bekanntlich die halbe Menschheit unterwegs. Lokale Krisen lösen globale Probleme aus. Migration bereichert zwar und ist für viele die einzige Möglichkeit zu überleben, ist aber angesichts des Ausmasses zunehmend ein Sicherheitsproblem. In diesem Jahr kamen teilweise über 1'000 Migranten pro Woche über unsere Ostgrenze - ohne die ukrainischen Flüchtlinge. Interessanterweise stellte nur ein Teil davon ein Asylgesuch in der Schweiz. Die anderen lösen sich irgendwie in Luft auf. Sie stellen vielleicht anderswo ein Asylgesuch oder sie wohnen irgendwo in Europa ohne Anmeldung und arbeiten schwarz. All dies ist sozial und wirtschaftlich schädlich, für die Sicherheitsorgane aber aufgrund der schieren Masse kaum mehr zu bewältigen. Hinzu kommen Regulierungen, insbesondere im Bereich Datenschutz, die nicht sehr hilfreich sind. Meine Damen und Herren, ein Barbershop, der 25 Franken für einen Haarschnitt verlangt, kann kaum rentieren, es sei denn man spart an Steuern und Sozialabgaben. Solche Machenschaften zu unterbinden, ist aber angesichts der Ressourcen und der Gesetzeslage eine Herkulesaufgabe. In deutschen Städten hat man den Kampf bereits aufgegeben und die Polizei betritt gewisse Stadtteile schon gar nicht mehr. Namhafte Stimmen in Deutschland reden von einer Kapitulation des Rechtsstaates. Solche rechtsfreien Räume gilt es bei uns unbedingt zu verhindern. Die nächsten Jahre werden bei uns entscheidend sein. Wenn wir kein Augenmerk auf diese Thematik legen, wird unsere Polizei im Jahr 2030 auch nicht mehr überall hingehen können.
3. Herausforderung: Wertewandel
Eine ganz bedeutende Herausforderung ist der Wertewandel. Die Komplexität der Welt und die Verwischung zwischen Gut und Böse führen zu Unsicherheit und Radikalisierung. Gleichzeitig hat unser Wohlstand das Potential zu Dekadenz. Wir sind Individualisten und Egoisten geworden. Minderheiten machen sich lauthals bemerkbar. Sie fordern uneingeschränkte Freiheit und es ist ihnen egal, ob sie anderen damit Schaden zufügen. Wir leben geradezu in einer Diktatur der Minderheiten. Die geduldige Mehrheit staunt, was ihr in den Medien alles für Fehler vorgehalten werden. Sei es bei der Kulturaneignung, bei Rassismus, bei der gendergerechten Sprache oder beim mangelnden Verständnis für Diversity. Wörter, die wir früher ohne böse Absicht verwenden, sind heute unter Strafe verboten.
Liebe Stverinnen und Stver, ich persönlich bekenne mich hier und jetzt, dass ich ein Kulturaneigner bin. Mir macht es nichts aus, einen Winnetou-Film zu schauen und ich habe keine Hemmungen, ein Bayrisches Bier zu «saufen».
Aus polizeilicher Sicht ist beim Wertwandel vorab der Autoritätsverlust zu erwähnen. Uns Schweizern waren Autoritäten zwar schon immer lästig. Man erinnere sich daran, dass Wilhelm Tell seinerzeit den Polizeikommanden ermordet hat. Wir Eidgenossen wussten diesen Freiheitsdrang aber immer durch ein grosses Mass an Solidarität zu kompensieren. Dies ist heute kaum mehr der Fall. Wir haben zu viele Leute, die keinen materiellen oder immateriellen Beitrag an die Gesellschaft leisten und sich von Autoritäten gar nichts sagen lassen. Ein Beispiel sind die sogenannten Reichsbürger, die jede Einflussnahme des Staates und damit auch der Polizei ablehnen. Wir schlagen uns im Alltag mit diesen Leuten rum, von denen nicht zuletzt auch ein gewisses Gewaltpotential ausgeht. Es machen uns aber auch noch andere Communities das Leben schwer. Ihr kennt die abstrusen Verschwörungstheoretiker, Links-, Rechts- und Tierrechtextremisten, auch Fussballchaoten, Islamisten und Rockerbanden wehren sich gegen staatliche Autoritäten. Täusche ich mich, oder verroht die Gesellschaft tatsächlich? Sicher ist, dass die Phänomene stark auf dem Buckel der Polizei ausgetragen werden, weil sie gut sichtbar die staatliche Autorität verkörpert.
Ich habe den Eindruck, dass heute viele Leute die Orientierung verloren haben und auf der Suche nach Halt sind. Das Denken ist schwarz-weiss und es kommt zu einer gefährlichen Polarisierung, man schaue nur in die USA. Der Horizont gewisser Leute ist wie ein Kreis mit Radius Null. Und das nennen sie dann ihren Standpunkt, den sie bis aufs Blut verteidigen. Halt suchen sie bei Populisten, Nationalisten und anderen Heilsversprechern. Diese nutzen die Gunst der Stunde und jagen den Leuten so viel Angst vor Spritzen, Migranten und Andersdenken ein, dass Urnengänge zunehmend irrationale Wege nehmen.
Warum verhält sich der Mensch nicht vernünftiger? Das Problem der Vernunft ist, dass sie mit den Gefühlen nicht auf Augenhöhe diskutiert.
Liebe Anwesende, die Geschichte wird zeigen, ob die Coronaskeptiker zu Willhelm Tellen des 21. Jahrhunderts erhoben oder aber als Schwurbler abgetan werden.
Nun welches sind die konkreten Strategien der Luzerner Polizei, um den geschilderten Herausforderungen zu begegnen?
Wir von der Luzerner Polizei setzen vorab auf eine weitgehende gesellschaftliche Verankerung. Wir wollen ein Teil der Gesellschaft sein und setzen deshalb stark auf bürgernahe Polizeiarbeit. Wir wollen nicht einfach als sanktionierende Behörde wahrgenommen werden, sondern vor allem präventiv und integrativ wirken, um den Zusammenhalt der Gesellschaft zu fördern. Dies gelingt allerdings nur im Verbund. Politik, Bildungswesen, Justiz und die ganze Zivilgesellschaft sind gefordert. Wir von der Polizei sind uns dabei unserer Verantwortung bewusst. Das höchste Gut, das wir haben, ist das Vertrauen der Bevölkerung. Wenn wir ein hohes Vertrauen spüren, ist das für uns eine Verpflichtung. Unser Gegenwert ist Rechtsstaatlichkeit, eine hohe Verlässlichkeit und ein Engagement zu 117%. Nicht versprechen können wir Fehlerlosigkeit. In der Hitze des Gefechts kann es schon mal zu unverhältnismässigem Handeln kommen.
Liebe Stverinnen und Stver, ich rufe euch alle auf, in den nächsten Jahren der öffentlichen Sicherheit mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Die mannigfaltigen Herausforderungen der heutigen Zeit sind allesamt sicherheitsrelevant. Die Gemeinschaft zeigt sich wohlstandsbedingt oft gleichgültig und die Solidarität zeigt Auflösungstendenzen. Entsprechend gering ist die Bereitschaft, in das kollektive Gut Sicherheit zu investieren. Auch steht die Sicherheit bezüglich öffentlicher Finanzen in starker Konkurrenz zum Gesundheits- und zum Bildungswesen. In dieser Situation braucht es Unterstützung durch vernünftige Leute wie Stverinnen und Stver, die mit beiden Beinen im Leben stehen, auch wenn sie manchmal nicht mehr auf einem Bein stehen können. Leute, die sich nicht nur am Recht, sondern auch an der Moral orientieren. Leute mit einem Sinn für das Kollektive und einer gewissen Bereitschaft zur Einordnung.
Ich freue mich in diesem Sinne, die Sicherheit und Ordnung in unserem Kanton zusammen mit euch in eine erfolgreiche Zukunft zu führen. Wir schaffen das getreu nach dem Motto der Luzerner Polizei:
Schnell – kompetent- hilfsbereit.
Hoher Senior, werte Corona, ich wünsche euch allen positive Begegnungen mit der Luzerner Polizei, ermuntere euch zum fristgerechten Zahlen der Bussen und danke für eure Aufmerksamkeit.
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